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Leiden wir bald unter permanenter Hitze?

Letzten Oktober bin ich in eine neue Wohnung gezogen, in der es sehr warm ist. Da mir schnell kalt wird, hat mich das anfangs sehr gefreut. Schliesslich konnte ich während des gesamten Winters in Flipflops und T-Shirt durch die Wohnung spazieren, ohne auch nur einmal zu frieren. Inzwischen befürchte ich jedoch, dass es in den Sommermonaten, wenn draussen die Sonne scheint, es drinnen nicht auszuhalten sein wird vor Hitze. Ich könnte zwar tagsüber die Rollos herunter lassen, allerdings habe ich nicht vor, die Sommerzeit eingesperrt in einer Höhle zu verbringen. Sollte ich vielleicht in eine Klimaanlage investieren? Viele würden bestimmt einfach eine Klimaanlage anschaffen, ohne gross darüber nachzudenken. Einwohnern von Dubai oder Hongkong würde sich diese Frage gar nicht erst stellen, da sie ohne Klimaanalage unter der permanenten Hitze leiden würden. Aus ökologischer und ökonomischer Sicht ist es aber nicht wirklich ideal. Zudem würde der Stromverbrauch weltweit wegen der Klimaanlagen geradezu zu explodieren drohen. Eine schwierige Entscheidung also!

Anstieg des Klimatisierungsbedarfs weltweit: die Zahlen

Ein kürzlich von der Global Alliance for Building and Construction (GABC) veröffentlichter Bericht1 zeigt einen deutlichen Anstieg des mit Klimaanlagen verbundenen Stromverbrauchs. Der Energiebedarf für die Kühlung von Räumen hat sich seit 2010 um ganze 25 % erhöht. Insgesamt sind in unseren Gebäuden weltweit derzeit mehr als 1,6 Mrd. Klimaanlagen installiert, davon die Hälfte alleine in China und den USA. Dabei entfällt der höchste Energieverbrauch jedoch nicht auf die wärmsten Länder der Erde. Denn nur 8 % der Menschen, die an Orten leben, an denen die Tagesdurchschnittstemperatur über 25 °C liegt, besitzen eine Klimaanlage!

 

Der weltweite Bestand an Klimaanlagen erhöht sich signifikant (Quelle: Internationale Energieagentur IEA).

Laut der Internationalen Energieagentur IEAbeläuft sich heute die für Klimatisierungszwecke aufgewendete Energie auf 20 % des weltweiten Gesamtenergieverbrauchs für Gebäude. Dieser Bedarf ist rapide angestiegen, und zwar schneller als der anderer Verbraucher wie Heizung oder Beleuchtung. Wenn wir nichts dagegen unternehmen, könnte sich dieser Verbrauch in den kommenden Jahrzehnten noch verdoppeln oder verdreifachen, sodass Klimaanlagen für 40 % der Erhöhung des Stromverbrauchs in Gebäuden verantwortlich wären.

Schwerwiegende Konsequenzen für die Stromnetze und die CO2-Bilanz

Im Jahr 2016 entfielen ca. 14 % der weltweiten Stromverbrauchsspitzen auf Klimaanlagen. Dieser Anteil könnte sich in manchen Ländern wie den USA auf bis zu 30 % erhöhen! Dies würde die Stabilität der Stromversorgungsnetze gravierend beeinträchtigen.

Klimaanlagen tragen massgeblich zum Gesamtstromverbrauch bei, insbesondere bei Bedarfsspitzen (Quelle: Internationale Energieagentur IEA).

Die Stromnetze werden möglicherweise nicht mehr ausreichend Elektrizität liefern können, um die Bedarfsspitzen abzudecken. So könnte es zu Spannungsabfällen und unvorhergesehenen Unterbrechungen der Netzversorgung kommen. Es werden also zusätzliche Kapazitäten für die Stromerzeugung erforderlich.

Die Auswirkungen auf den Ausstoss von Kohlendioxid (CO2) und anderen Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Stickstoff sind ebenfalls erheblich. Nehmen wir zum Beispiel die CO2-Emissionen im Zusammenhang mit Klimaanlagen. Diese haben sich seit 1990 auf 1135 Mrd. Tonnen verdreifacht. Das entspricht dem gesamten CO2-Ausstoss von Japan!

Die im Zusammenhang mit der Klimatisierung von Gebäuden entstehenden CO2-Emissionen haben sich zwischen 1990 und 2016 verdreifacht (Quelle: Internationale Energieagentur IEA).

Wie lässt sich das Problem lösen? In erster Linie mit einer leistungsfähigen Gebäudehülle!

Angesichts des Temperaturanstiegs, der zunehmenden Verstädterung und der Alterung der Bevölkerung auf der ganzen Welt sowie des wirtschaftlichen und demografischen Wachstums in Entwicklungsländern wie Indien, China, Brasilien und Indonesien steht fest, dass der Klimatisierungsbedarf in den kommenden Jahrzehnten weiterhin signifikant ansteigen wird.

Um den Trend zu bremsen und die Auswirkungen auf den Strombedarf und die Umwelt zu begrenzen, kommen folgende Lösungen in Betracht:

  • Verbesserung der Energieeffizienz von Klimaanlagen: Dadurch könnte der Anstieg des Energieverbrauchs im Zusammenhang mit der Raumkühlung fast um die Hälfte reduziert werden.
  • Ausbau des Anteils an erneuerbaren Energien, insbesondere Solarenergie
  • Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäudehüllen 

Letztere Option könnte langfristig noch wesentlich grössere Energieeinsparungen ermöglichen. Schliesslich ist der «beste» Energieverbrauch der, der gar nicht erst anfällt! Wenn wir Gebäude aus gut gewählten Werkstoffen bauen und ihnen eine Hülle geben würden, die sich den Witterungsbedingungen anpasst, eine gute natürliche Belüftung fördert, den Wärmeeintrag sinnvoll begrenzt und gleichzeitig ausreichend Tageslicht hineinlässt, dann könnte der mit diesem Gebäude verbundene Energieverbrauch ohne Komforteinbussen für die Gebäudenutzer stark reduziert werden.

Das Hotel Warwick im schweizerischen Genf: Nach dem Austausch der Fassade durch eine leistungsfähigere dynamische Verglasung sank der für die Klimatisierung erforderliche Energieverbrauch um 60 %.

Darüber hinaus ist die Installation von Klimaanlagen eine der Hauptursachen für die Bildung sogenannter städtischer Wärmeinseln, und nicht etwa eine Konsequenz daraus. Zur Kühlung eines Raums muss nämlich Wärme aus dem Gebäude hinausbefördert werden. Schätzungen zufolge können Klimaanlagen in manchen Städten einen Temperaturanstieg von mehr als 1 °C verursachen! Je weiter die Aussentemperaturen ansteigen, desto grösser wird wiederum der Kühl- und Klimatisierungsbedarf und desto mehr Wärme wird von innen nach aussen transportiert – ein wahrer Teufelskreis. Ein weiterer Grund also, in erster Linie sinnvoll konzipierte Gebäudehüllen zu bevorzugen.

Bessere Kontrolle des Energiebedarfs dank intelligenter Gebäude und Stromnetze

Der Bau von smarten Gebäuden, die mit intelligenten Sensoren und Systemen ausgestattet sind, kann zu einer besseren Regulierung des Klimatisierungsbedarfs führen. So können Faktoren wie Temperatur, Sonneneinstrahlung, Helligkeit oder Raumbelegung gemessen und vorhergesehen werden, damit Fenster, Lüftung, Klimaanlage usw. zum passenden Zeitpunkt angesteuert werden können. Auf der Ebene ganzer Viertel oder Städte ermöglicht der flächendeckende Einsatz intelligenter Netze, sogenannter «Smart Grids», zudem die effizientere gemeinsame Nutzung energieerzeugender Anlagen, auch solcher für erneuerbare Energien. Zudem können grössere Bedarfsspitzen besser abgefangen werden. Auf dieses Thema werden wir in einem der nächsten Artikel noch genauer zu sprechen kommen.

 


1 The 2018 Global Status Report – Towards a Zero-Emission, Efficient and Resilient Buildings and Construction, Global Alliance for Buildings and Construction, 2018.

2 The Future of Cooling – Opportunities for energy-efficient air conditioning, International Energy Agency, 2018.