Industry Insights

Doppelte Kraft voraus

Exterior modern Arvig building with smart glass windows.

Intelligentes Glas und geothermische Technologie ergeben zusammen ein weltweit einzigartiges Heiz- und Kühl-System

   

Wie kann mit dynamischem Glas und geothermischer Technologie ein ultramodernes und hocheffizientes Heiz- und Kühl-System für den Gewerbebau entwickelt werden? Expertinnen und Experten von SageGlass und des Geothermie-Unternehmens GEOptimize gingen dieser Frage auf den Grund. Sie haben ein System entwickelt, das ein bestehendes geothermisches System durch elektrochromes Glas von SageGlass ergänzt. Dieses System ist das erste seiner Art. Die Designer erhoffen sich, dass es weltweit als Modell für energieeffiziente Gebäude dienen wird.

 

Projektdetails

Der Internetanbieter Arvig aus Minnesota (USA) hatte eine grosse Renovierung seines Bürogebäudes geplant. Die Nutzfläche sollte von rund 5 000 auf über 7 000 Quadratmeter erweitert werden. Arvig beauftragte die Firma The Design Group, die bestehende erdgekoppelte Wärmepumpe (Ground Coupled Heat Pump, GCHP) zu evaluieren. Das lokale Elektrizitätswerk Otter Tail Power Company sah in der Renovierung des Arvig-Gebäudes ihre Chance, damit die Effizienz ihres Stromnetzes zu verbessern. Da das Elektrizitätswerk schon vorher mit dem Geothermie-Unternehmen GEOptimize zusammengearbeitet hatte, waren sie begeistert von Ed Lohrenz origineller Idee.

Die Idee bestand darin dynamisches Glas als Lastverwaltung des Gebäudes einsetzen anstatt das GCHP-System mit einer ergänzenden Energiequelle zu kombinieren, um die Heiz- und Kühllasten zu gewährleisten (so wie die meisten GCHP-Systeme funktionieren). «Das renovierte Gebäude wird einen Fensterflächenanteil von 30 Prozent haben», so Connor Dacquay von GEOptimize. «Durch diese grosse Erweiterung des Fensterflächenanteils wird auch die Solarwärmezunahme stärker.» Kurz gesagt: Das System profitiert von einer bereits existierenden Energiequelle, vom Sonnenlicht, das durch die Fenster scheint, und kann damit den Wärmebedarf des Gebäudes senken. Und da die Tönung des intelligenten Glas auch als Wärmeschutz fungiert, wird gleichzeitig auch der Kühlbedarf gesenkt. Daraus resultiert ein erneuerbares, kohlenstoffarmes Projekt, das gleichzeitig eine angenehme Arbeitsfläche für die Nutzer bietet. Connor Dacquay ergänzt: «Die Herausforderung beim Einbau eines solchen Systems ist, dass es das erste seiner Art ist.» Um genau voraussagen zu können, wie positiv sich das intelligente Glas auf die Heiz- und Kühllasten des Gebäudes auswirkt, haben Dacquay und sein Team Gebäudeenergiemodelle entwickelt und Simulationen durchgeführt.

 

Ergebnisse

Die Forschenden entwickelten vier Gebäudeenergiemodelle mit unterschiedlichen Solarwärmezunahme-Faktoren. Anschliessend wurden Simulationen durchgeführt, die Temperaturtrends und Systemwirkungsgrade über einen Zeitraum von 20 Jahren analysierten1. Dabei wurden Wettermuster, Klimawandelszenarien, Büroraumnutzung und weitere Faktoren berücksichtigt.

Die Simulationen zeigten auf, dass der jährliche Kühlbedarf des Gebäudes um 32 Prozent abnahm im Vergleich zu statischem Glas, wenn das dynamische Glas vollständig getönt war. Das integrierte System reduzierte ausserdem die Kohlendioxidemissionen um 30 Prozent. Auch finanziell betrachtet ergibt das System Sinn: Der Nettobarwert des Systems über 30 Jahre im Vergleich zu einem herkömmlichen System ist 142’273 USD günstiger. Auch die Kapitalkosten für das geothermische System konnten reduziert werden. Trotz der viel grösseren Fläche des Gebäudes waren keine neuen Bohrungen nötig.

 

Zukunftsaussichten

Das Arvig-Projekt wird im Jahr 2022 abgeschlossen, und das System kann vollständig automatisiert werden: Temperatursensoren und Durchflussmesser auf dem Erdwärmetauscher erheben Informationen, und das Gebäudeautomationssystem des Kunden nutzt diese Informationen, um den Tönungsgrad des intelligenten Glases einzustellen.

«Angesichts des Klimawandels und des zunehmenden Bewusstseins in Bezug auf Treibhausgasemissionen werden Inhaber kommerzieller Gebäude dazu gezwungen sein, auf energieeffiziente Gebäude umzusteigen», sagt Dacquay. «Ein Gebäude mit einem hohen Fensterflächenanteil ermöglicht eine symbiotische Beziehung zwischen einem geothermischen System und dynamischem Glas.» Dacquay ist überzeugt, dass sich dieses duale System im Gewerbebau durchsetzen wird. «Es geht nicht um die Frage, ob sich das System durchsetzen wird, sondern eher wann es soweit sein wird.»

 


  1. Die vollständige Studie ist im Journal of Building Engineering erschienen https://doi.org/10.1016/j.jobe.2021.102339